Addis Abeba – Stadtrunde

Erste Eindrücke aus der „Neuen Blume“.

Äthiopiens Metropole (vor Ort nur Addis oder Addis Ababa genannt, vierthöchstgelegene Hauptstadt der Welt, höchstgelegene Afrikas) ist ein schwer fassbares Konglomerat unterschiedlichster Zeiten, Kulturen und Völkern (84 Ethnien!). Schon allein ihre Lage in etwa 2500 m über dem Meer ist bemerkenswert. Nördlich des Zentrums erhebt sich der bewaldete, 3200 m hohe Entoto, in der Geschichte des Landes mehrmals königliche Residenz. Während einer Abwesenheit Menelik II. wurde es dessen Frau Taytu Betul dort oben anscheinend zu kalt und sie verlegte den Regierungssitz kurzerhand ins Tal – praktischerweise in die Nähe heißer Quellen. Nach der Rückkehr des Chefs befand dieser das neue Lager für einen geeigneten Ort zur Gründung einer neuen Hauptstadt – der „Neuen Blume“.
Heute hat Addis den Ehrgeiz, zur Drehscheibe des Kontinents zu werden – die Stadt ist bereits Sitz der UN-Wirtschaftskommission für Afrika und des Hauptquartiers der Afrikanischen Union. Bewegt man sich jedoch nur wenige Schritte weg von den großzügigen Verkehrsachsen mit ihren blitzenden Glaspalästen, findet man sich meist auf schlaglochübersäten Lehmpisten wieder und muss sich besonders im Sommer, wo die Niederschläge am heftigsten sind, im Hotel den Schlamm von den Schuhen waschen.
Wir haben die Stadt im August als Zwischenstopp für unsere Madagaskarreise besucht – die Ethiopian Airlines bedienen die Strecke Wien – Addis – Antananarivo. Das empfehlenswerte Hotel Lobelia in der Nähe des Flughafens (gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, kostenloser Shuttle, fähige Fahrer und Führer (dringend zu empfehlen), z. B. Mr. Abay: WhatsApp 00251 91 1088052). In nur 27 Stunden haben wir einen umfassenden Einblick in die Sehenswürdigkeiten der Stadt sowie in Kultur, Kulinarik und Lebensweise dieses fremdartigen Landes erhalten.

Flugroute Wien - Addisdas Hotel ganz in der Nähe des Flughafens bietet ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis, ...... im angeschlossenen Kaffeehaus bereitet uns die Diskrepanz zwischen europäischer (oder gar amerikanischer) und der landesüblichen Kaffeekultur das erste Aha-Erlebniseine der Hauptverkehrsachsen durch die Stadt; unser ausgezeichneter Guide vom Hotel Lobelia, Mr. Abay, hat scheinbar sogar das Wetter im Griff und rät uns, erst einmal den 3200 m hohen Entoto im Hintergrund aufzusuchender Blick aus den Eukalyptuswäldern des Entoto über die regenverhangene Stadt ist nicht gerade überwältigend, am Berg selbst aber gibt es einiges zu entdeckenin der um 1885 errichtete Maryam-Kirche wurde Menelik II. zum Kaiser gekröntam Abhang dahinter eine Schule, in der täglich zwischen 8:00 und 17:00 Uhr anhand des Neuen Testaments lesen gelernt wirdeinige Schritte dahinter der Wohnsitz („Palast“) von Menelik II. und seiner Frauim Hauptgebäude wurde repräsentiert und gefeiert; hier die Gefäße, in denen Speis und Trank aufbewahrt wurdendas Schlafhaus des Kaiserpaarsan den Flanken des Entoto sammeln Frauen Brennholz; unser Führer ist beim Aufladen behilflich - eher untypisch, da sich hier der durchschnittliche Ehemann meist im Nichtstun ergeht, während die Frauen schuftendie schwere, unhandliche Last wird festgezurrt ...... und anschließend vom Berg über 10 km in die Stadt zum Verkauf getragen, oft zweimal am Tageinen Trödlerladen unten in der Stadt hat die Holzfrau sicher nie von innen gesehenwährend die empfindlicheren Stücke im besten Teil des Gebäudes untergebracht sind, ...... kann die robustere Ware schon mal im desolaten Teil des Shops landenin einem Kleidermarkt; diese Gewänder sind für die meisten Äthiopier unerschwinglichder Eingang zur Universität von Addis Abebadas einstmalige Palastgelände wurde 1961 von Kaiser Haile Sellassie der Uni übergebenvom streng bewachten Eingang erreicht man über eine Allee ...... das Hauptgebäude, ...... in dem das Institut für Äthiopische Studien untergebracht istneben einer kunsthandwerklichen Sammlung ...... findet man Prototypen von Behausungen aus verschiedensten Distrikten, ...... wie etwa die im nördlichen Hochland üblichen Tukuls, die ausschließlich aus natürlichen Baustoffen gefertigt sindim krassen Gegensatz dazu: das kaiserliche Schlafgemachauch das im Park gelegene Unicafe ...... erinnert noch an ein ethnologisches Museumim Tresorraum des Nationalmuseums befindet sich üblicherweise die letzte Ruhestätte von Lucy, dem 3,2 Millionen alten Teilskelett eines  weiblichen Australopithecus afarenis; während unseres Besuchs wurde Lucy allerdings gerade zu einer Ausstellung nach Prag verfrachtetdie „Piazza“ am nordwestlichen Eck des Stadtzentrums, Anlaufstelle für Sammeltaxis und Busse mit großem Einkaufszentrumunser Führer hat für ein Mittagessen im Selam Village reserviert, ...... einem typisch städtischen Restaurant unweit der Piazzadie äthiopische Kost ist eher fleischlastig, die rohen Würfel sind aber unserem Guide vorbehaltengegessen wird auch in feineren Etablissements wie diesem ausschließlich mit den Fingern der rechten Handkeinesfalls versäumen sollte man den Mercato, ein schier unendliches Gewirr von labyrinthischen Ladenstraßen und Ständen - angeblich der größte Markt auf dem afrikanischen Kontinentauch hier ist ein Führer dringend geraten, nicht nur wegen der schwierigen Orientierungeine gängige Floskel in Addis Abeba lautet nämlich: „Die einen gehen zum Mercato, um zu kaufen, ...... die anderen, um zu klauen!“Äthiopien ist kein einfaches Reiseland, das gilt auch für die Hauptstadt: der abendliche Weg ins Konzerthaus ist sogar für Hartgesottene überraschendnach langer Anreise und einem vollen Besichtigungstag gelingt es unserem Führer tatsächlich, ...... uns auch noch zu einem abendlichen Kulturprogramm zu bewegenwir landen in einem erstaunlichen Etablissement voller Einheimischerin einer Art Kulturpalast mit Dekorationen aus allen Teilen des riesigen Landes - Österreich würde in Äthiopien dreizehnmal Platz finden - , ...... darf auch eine Bühne nicht fehlenden Auftakt der Vorstellung bildet eine instrumentale Einleitung, bei der uns die rhythmische Prägnanz der Ausführenden ...... sowie deren technische Fähigkeiten auf ihren Instrumenten begeisternnach einiger Zeit werden seltsame Körbe an die Tische gebracht, ...... in denen eine Auswahl leckerer Speisen zum Vorschein kommtauch das äthiopische Bier ist nicht zu verachtendie Unterlage besteht aus leicht säuerlichem Fladenbrot, dem Injera; man reißt sich einfach Stücke ab und isst mit der Handzur selben Zeit tut sich auf der Bühne einiges: nach einer Reihe von GesangssolistInnen ...... tritt eine Tanztruppe in Erscheinung, ...... deren Mitglieder zu wechselnden Rhythmen immer wilderen Choreographien folgen ...... bis hin zu minutenlangen blitzartigen, eigentlich menschenunmöglichen Kopfdrehungen, begleitet von feurigen Trommelwirbelndie Männer überbieten sich in energiegeladenen Kampfszenender eintägige Zwischenstopp auf unserem langen Flug in den Indischen Ozean hat nicht nur den obligatorischen Jetlag ausgebremst, sondern überraschende, faszinierende Einblicke in ein zwar raues, aber durchaus interessantes und freundliches Reiseland geschenkt
(04.08.2025)

Literatur: Hildemann/Fitzenreiter: Äthiopien. Handbuch für individuelles Entdecken. Bielefeld: Reise Know-How Verlag 2017.
Murphy: Im Land des Löwenkönigs. München: Frederking & Thaler 2002. - Erlebnisse einer irischen Abenteuerin, welche in den 60iger-Jahren zu Fuß und nur in Begleitung eines Maultiers das Land vom Roten Meer bis Addis Ababa durchquerte.
Hedemann: Der Mann, der den Tod auslacht. Begegnungen auf meinen Reisen durch Äthiopien. Ostfildern: DuMont 2013. – Ein Journalist reist per Geländewagen über 6000 Kilometer durchs Land.

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